Samstag, 1. Juni 2024

Shakespeares Sonett-Zyklus


Shakespeares rätselhafte, kraftvolle Sonette sind als lyrisches Vermächtnis den berühmten Dramen des Dichters ebenbürtig. Sie sprechen von Liebe und Tod, Schönheit und Vergänglichkeit. Ihre unvergleichliche Sprachmelodie und die betörenden Bilder machen Shakespeares Sonette zu Meisterwerken der Weltliteratur.

154 Beispiele Shakespearescher Sonettkunst waren es, die der Verleger Thomas Thorpe in London vor vierhundert Jahren in einer Quartausgabe herausbrachte. Lange standen sie im Schatten der ungleich prominenteren Bühnenwerke.

Kein lyrisches Werk der Weltliteratur hat den Spürsinn von Dichtern, Literaturwissenschaftlern und Übersetzern so angeregt wie Shakespeares Sonett-Zyklus, und nirgendwo ist die Rätselhaftigkeit Shakespeares so zu erfahren wie in diesen 154 Gedichten.

Vierhundert Jahre nach der ersten Erwähnung von Sonetten Shakespeares durch Francis Meres nach zweihundert Jahren heftiger und oft genug indezenter Liebesmühe einer weltweiten Armada von Forschern und Enthusiasten, erstrahlt das Werk mehr denn ja in ästethischer Schadenfreude: Es hat nichts preisgegeben, was die gemeine Neugier befriedigt.

Shakespeares Sonette stellen die Frage nach Wahrheit, sie stellen sie dar, richten sie auf, richten sich als sie auf, Doch Wahrheit und Geltung, Schönheit und Schönschein, Obsession und Treue, Sinn und Widersinn, Lieb und Liebe, Tag und Nacht - in paradoxalen Konfigurationen werden sie der Magie des "großen Durcheinanderwerfers" ausgeliefert, und es erscheint nicht sogleich ausgemacht, wer als wessen Schatten zu gelten habe.

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